Samstag, 24. Januar 2009
 
Brasilien: Landlosigkeit tötet Guarani-Kaiowa PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von FIAN   
Freitag, 1. Februar 2008

Ein Volk stirbt -- weil es nicht in die moderne Gesellschaft paßt. Der Tod kommt dabei auf vielfältige Weise: Durch Hunger, Selbstmord, Alkoholismus und nicht zuletzt direktem Mord. FIAN bittet um Protestbriefe.

Im Staat Mato Grosso do Sul besteht die Guarani-Kaiowa-Gemeinschaft aus ca. 27.500 Personen. Traditionsgemäß sind die Guarani Nomaden; ihr Siedlungsraum umfasst den Großteil der südlichen Gebiete Lateinamerikas.

Für diese Menschen bedeutet das Land, auf dem sie leben – Tekoha genannt – “der Platz, an dem wir unsere Art zu sein, verwirklichen können”, ein sozio-politischer Raum. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Lebensraum der Guarani-Kaiowa reduziert auf kleine, eng demarkierte indigene Gebiete. Bis zu den 70er-Jahren hatten sie dennoch die Möglichkeit, weiter zu ziehen und auf unbesiedeltem Land Zuflucht zu finden. Aber mit der zunehmenden Besetzung von großen Teilen des Territoriums, den Flussufern inbegriffen, und mit dem intensiven Anbau von Sojabohnen wurde dieser Raum immer begrenzter. Seitdem wurden immer mehr indigene Familien gezwungen, in demarkierten Zonen zu leben. Dadurch wurden ihre Möglichkeiten, für sich selbst zu sorgen, was Nahrung, sauberes Wasser, Treibstoff für die Lebensmittelproduktion sowie das Sammeln von Heilkräutern anbelangt, stark reduziert. Außerdem verschlechterten sich ihre gesundheitlichen Bedingungen gewaltig. In den 90er Jahren konnte man einen enormen Zuwachs der Selbsttötungsrate und des Alkoholkonsums feststellen.

In 2007 wurden in Brasilien 76 Indigene ermordet, davon 48 Guarani Kaiowa aus Mato Grosso do Sul. Seit 2005 starben 53 Kinder der Guarani Kaiowa infolge von Mangelernährung. Momentan gibt es mindesten 600 weitere Kinder, die Anzeichen von Unterernährung vorweisen. Die Morde, Selbsttötungen, der Alkoholismus und die Todesfälle aufgrund von Mangelernährung sind eng verbunden mit den begrenzten Ausmaßen der Gebiete, in denen die Indigenen gezwungen sind zu leben, und mit dem Kampf, den sie führen, um ihre Rechte einzufordern. Die Regierung begnügt sich damit, den Familien Lebensmittelhilfe und ärztliche Hilfe zukommen zu lassen, unter anderen Programmen mit Kurzzeiteffekt, aber sie befasst sich nicht mit dem grundlegenden Problem der Demarkation von 52 traditionellen Gebieten, der Abgrenzung von Hoheitsgebieten also, welche die Guarani fordern.

Angesichts der Verpflichtungen die der brasilianische Staat in Bezug auf das Recht auf Nahrung eingegangen ist, ist er verpflichtet, eine Untersuchung zu den Morden an den Guarani einzuleiten und die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft zu ziehen. Er ist verpflichtet, die Indigenen gegen die Praxis der ungerechtfertigten Kriminalisierung zu schützen, ihnen eine angemessene Nahrung zur Verfügung zu stellen sowie den Zugang zu Ressourcen, die es ihnen erlauben sich selbst zu ernähren, was momentan nicht der Fall ist. Dazu muss Brasilien bis zur Umsiedelung der Guarani auf eigene Gebiete unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zur Vermessung der fraglichen Gebiete ergreifen, die Festlegung sozialer Transfermaßnahmen und die Umsetzung der erforderlichen gesellschaftspolitischen Maßnahmen beschleunigen, um weitere Hungertode zu verhindern.

Als Unterzeichnerstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat der brasilianische Staat die völkerrechtliche Verpflichtung, den Zugang der Guarani-Kaiowa zu ihren traditionellen Gebieten zu respektieren, zu schützen und zu garantieren, da sie dieses Land brauchen, um sich zu ernähren. Diese Gruppe von Indigenen ist infolge der bestehenden Landkonflikte durch Hunger, Unterernährung und Gewalt bedroht. Internationale Aufmerksamkeit ist dringend erforderlich.

FIAN, die internationale Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung, bittet darum, Protestbriefe an die brasilianische Bundesregierung zu schicken. Die Möglichkeiten gibt es entweder online auf der FIAN-Homepage oder per richtigem Brief. Musterbriefe hier zum Download: als rtf oder html

Adressaten der Aktion:

Presidente de Brasil
Luiz Inácio Lula da Silva
Praça dos Três Poderes
Palácio do Planalto - 3º andar
Brasília - DF 70150-900
Fax: 00-55-(61)411-2222

Kopien an:
Ministro de desarrollo social y de lucha contra el hambre
Patrus Ananias
Esplanada dos Ministérios
Bloco C - 5° andar
Brasília - DF 70046-900
Fax: 00-55- (61) 224-0418

Ministro de derechos humanos Paulo Vanucchi
Esplanada dos Ministérios
Edifício Sede do Mistério da Justiça
Brasília - DF 70064-900
Fax: 00-55- (61) 3429-3126

Ministro de justicia
Tarso Genro
Esplanada dos Ministérios
Bloco T - Edifício Sede
Brasília - DF 70064-900
Fax: 00-55- (61) 3224-4784

< zurück   weiter >